Gregorianischer Choral

Wir lieben den Gregorianischen Choral!

Wir Zisterzienser von Heiligenkreuz beten das ganze Chorgebet in Latein und singen dabei den Gregorianischen Choral, genauer: den Zisterzienserchoral. Seit 2008 haben wir sogar in der Musikwelt großen Erfolg mit dieser uralten Form des gesungenen Gebetes, weil der Choral eine innere geistliche Kraft entfaltet. Komm und höre!

Unser gregorianischer Choral ist gesungenes Gebet!

Allerheiligen 2019

Eine altehrwürdige Form des Lobpreises

„Ora et labora“ – „Bete und arbeite“ ist der Auftrag an uns Mönche in Heiligenkreuz, die wir nach der Regel des hl. Benedikt leben. Darum pflegen wir Zisterzienser besonders das „Ora“ in der Liturgie durch das gemeinsame „Chorgebet“. In diesem öffentlichen Gebet schöpfen wir die Kraft für die tägliche Arbeit und geben Gott den gebührenden Lobpreis. Unsere feierliche Liturgie in der altehrwürdigen lateinischen Sprache ist in ihrer zisterziensischen Eigenart wesentlich durch den Gregorianischen Choral geprägt. Diese Gesangsform unterscheidet sich stark von den Kirchenliedern, wie sie im Gemeindegottesdienst üblich sind: Die Melodien werden einstimmig vorgetragen, besitzen freien Rhythmus, also keine Takte, und bewegen sich in 8 sogenannten „Kirchentonarten“, also nicht in Dur und Moll. Oft wird auf eine Silbe des Textes eine reiche Folge von Tönen gesungen, um den Sinn des Textes besser zum Ausdruck zu bringen. Den Großteil unseres Chorgebetes nehmen die Psalmen ein, die nach verschiedenen Tönen rezitiert werden. Sie sind eingerahmt von längeren oder kürzeren Antiphonen (Rahmenversen). Eröffnet werden die Gebetszeiten jeweils mit einem Hymnus.

Gregor der Große

Der Choral entstand bereits im 4. Jahrhundert, als die Kirche nach jahrhundertelanger Verfolgung durch das Römische Imperium endlich die Freiheit erlangte und sie nach Jahren im Untergrund ihre Liturgie öffentlich feiern konnte. Der Name „Gregorianischer Choral“ geht auf den heiligen Papst Gregor den Großen († 604) zurück, der die „Schola Cantorum“, einen Sängerchor für die musikalische Gestaltung der römischen Liturgie, einrichtete.

Übrigens gibt es den Ausdruck nicht im Plural! Man spricht nicht von „gregorianischen Chorälen“. Es gibt den Begriff nur im Singular: „der gregorianische Choral“, weil er nicht einzelne Musikstücke bezeichnet, sondern eine ganze Form des Gesanges.

Diakonatsweihe 2019

Eine musikalische Form der Bibelmeditation

Es handelt sich beim Gregorianischen Choral um eine musikalische Form der Bibelmeditation, des Nachsinnens über das Wort Gottes. Der größte Teil der gesungenen Texte ist der Heiligen Schrift entnommen. Der Gregorianische Choral ist eigentlich „gesungene Bibel“. Der Faszination an dieser uralten Gesangsform kann sich kaum jemand entziehen, denn in ihr steckt eine meditative Kraft, die aus der Einstimmigkeit, der archaischen Melodik und der freien Rhythmik entsteht: Die Melodik ist griechischen und jüdischen Ursprungs und entwickelte sich dann im Mittelalter zum System von 8 Kirchentonarten, die jeweils einen spezifischen Stimmungsgehalt ausdrücken. Der Rhythmus entsteht aus dem Wort- und Satzgefüge der lateinischen Sprache, so dass sich eine unmittelbare Beziehung zwischen Wort und Ton ergibt. Der Choral ist einstimmig, sodass die Melodien das biblische Wort Gottes frei von jeder subjektiven Harmonik in nüchterner Klarheit gleichsam musikalisch „nachmalen“ und „illustrieren“.

Heilige Musik, die religiöses Urempfinden zum Schwingen bringt

Der Gregorianische Choral ist eine „heilige Musik“ des gesungenen Gebetes. Diese Musikform birgt eine große emotionale Kraft in sich und spricht so das religiöse Urempfinden jedes Menschen an. Freilich braucht man Zeit, um sich in die Spiritualität dieses gesungenen Gebetes einzuhören. Vor allem ist die Offenheit für die Meditation des biblischen Wortes die Grundlage zum Verständnis dieser Musik. Und nicht zuletzt ist es sinnvoll, Latein zu können, um von dem Reichtum des Chorals profitieren zu können.

Abteikirche Heiligenkreuz

Der gregorianische Choral der Zisterzienser

Die Zisterzienser haben den Gregorianischen Choral bei der Gründung ihres Ordens im 12. Jahrhundert modifiziert. Seit dieser Zeit wird der „Zisterzienserchoral“ gesungen. Gegenüber dem Gregorianischen Repertoire, dessen erste Handschriften aus dem 10. Jahrhundert stammen, wurde der zisterziensische Choral entsprechend dem musikalischen Empfinden der Zeit und den spirituellen Grundlagen unseres Reformordens vereinfacht. Die Vereinfachungen beziehen sich vor allem auf die Tonalität (Tonarten) und den Ambitus (Tonumfang). Beispiele hiefür sind die in den zisterziensischen Choral aufgenommenen Introiten (Gesänge zum Einzug des Priesters am Beginn der hl. Messe), die Hymnen zur Vesper (Abendgebet) und die marianischen Antiphonen (Rahmenverse), die dem Zyklus des Kirchenjahres entnommen sind. Diese Gesänge gehören in unserem Zisterzienserkloster Heiligenkreuz zum bleibenden Bestand der Liturgie. Sie sind die tatsächliche Form unseres Gebetes und nicht nur musikalische Aufführungsstücke. Die klare und erhabene Schönheit der Melodien, welche die uralten Mauern unserer Abteikirche seit fast 900 Jahren durch den Gesang der Mönche erfüllen, geben Zeugnis von der hohen Berufung, die uns Zisterziensern anvertraut ist: im nie endenden Lobpreis Gott die Ehre zu geben.

Latein als klösterliche Liturgiesprache

Das klösterliche Chorgebet wird in Heiligenkreuz – mit Ausnahme der Vigillesungen – lateinisch gebetet und gesungen. An Sonn- und Feiertagen ist die Konventmesse immer lateinisch, an Wochentagen verwenden wir viermal die lateinische und zweimal die deutsche Sprache. Das 2. Vatikanische Konzil hat nicht, wie viele Menschen meinen, Latein als Liturgiesprache abgeschafft oder sogar verboten. Die Dokumente des Konzils und die Ausführungsbestimmungen betonen vielmehr, dass das Latein die Liturgiesprache der westlichen Kirche ist und bleibt, wenngleich die Landessprache den Gläubigen für bestimmte Gelegenheiten und Teile der Liturgie erlaubt wird. Wörtlich heißt es in der Liturgiekonstitution des Konzils:

„§ 1: Der Gebrauch der lateinischen Sprache soll in den lateinischen Riten erhalten bleiben… § 2: Da bei der Messe, bei der Sakramentenspendung und in den anderen Bereichen der Liturgie nicht selten der Gebrauch der Muttersprache für das Volk sehr nützlich sein kann, soll es gestattet sein, ihr einen weiteren Raum zuzubilligen, vor allem in den Lesungen und Hinweisen und in einigen Orationen und Gesängen.“ (2. Vatikanisches Konzil, Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium Nr. 36). Von einer Abschaffung des Latein kann also keine Rede sein. Dem Wortlaut und der Intention nach will das 2. Vatikanum der Muttersprache nur „einen weiteren Raum“ zubilligen. Daher wird dort auch näher bestimmt:

„Der Muttersprache darf… in den mit dem Volk gefeierten Messen ein gebührender Raum zugeteilt werden, besonders in den Lesungen und im ‚Allgemeinen Gebet’ [= Fürbitten] sowie je nach den örtlichen Verhältnissen in den Teilen, die dem Volk zukommen. Es soll jedoch Vorsorge getroffen werden, dass die Christgläubigen die ihnen zukommenden Teile des Mess-Ordinariums auch lateinisch miteinander sprechen oder singen können.“ (2. Vatikanisches Konzil, Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium Nr. 54)

Es ist daher nicht nur die Liebe zu einer 900-jährigen Zisterziensertradition, sondern es ist authentische Treue zum Konzil, wenn wir in Heiligenkreuz für das Chorgebet die Bestimmung des Konzils ernst nehmen, dass „die Kleriker beim Stundengebet das Latein beizubehalten haben“. (2. Vatikanisches Konzil, Liturgiekonstitution „Sacrosanctum Concilium” Nr. 101 § 1.)

Aber sicher ist es heutzutage notwendig, auch die inneren Gründe für die Sinnhaftigkeit dieser Bestimmung anzugeben, damit die Menschen, die – vielleicht auch nur als Zuhörer – an unserem Gebet teilnehmen, verstehen, was wir mit unserer Begeisterung für das Latein meinen und beabsichtigen.

1. Das Stundengebet hat einen stark meditativen Charakter, bei dem die Aufnahme der gesamten Inhalte aus jeder einzelnen Zeile der Psalmen und der Heiligen Schrift gar nicht möglich, ja nicht einmal anzustreben ist. Das Latein fördert diesen meditativen Charakter, bei dem nicht der gesamte Inhalt eines Psalmes, sondern eher einzelne Ausdrücke und Wendungen das Gebet beflügeln.

2. Die Psalmen sind Dichtungen aus einer anderen Zeit und Mentalität. Sie können daher nur sehr unzulänglich übersetzt werden, und eine Übersetzung in eine moderne Sprache kann sogar in die Gefahr kommen, banal oder gar lächerlich zu wirken. Die lateinische Psalmenübersetzung hat sich für das Chorgebet durch Jahrhunderte bewährt.

3. Das Chorgebet hat nicht nur privaten Charakter, sondern ist wesentlich im Auftrag der Kirche gesprochenes und gesungenes Gebet, das heißt stellvertretendes Gebet für die ganze Kirche und für die Anliegen der ganzen Welt. Diese Gebetsform darf daher bis zu einem gewissen Grad offiziellen und unpersönlichen Charakter haben, wie es in der Verwendung des Lateins zum Ausdruck kommt.

4. Bei der oftmaligen Wiederholung der Texte – in Heiligenkreuz wird innerhalb von zwei Wochen der ganze Psalter gebetet – schafft eine gewisse „Verfremdung“ in eine andere, nicht mehr gesprochene Sprache die Gelegenheit, gedankenlose Gewöhnung an den Text zu verhindern.

5. Die Erfahrung lehrt, dass nach einer gewissen Zeit die Gefahr der Gedankenlosigkeit beim Beten gleichermaßen in der Muttersprache wie im Lateinischen besteht. Es handelt sich also hier nicht um ein Spezifikum der Sprache, sondern um eine generelle Folge der eigenen Unvollkommenheit. Gerade das Latein aber bringt die Gelegenheit, immer neu und tiefer in die Gedanken der Heiligen Schrift einzudringen, weil man im Moment des Betens ja auch zu übersetzen und zu denken hat.

6. Tradition ist sicher kein Selbstzweck, hat aber in der katholischen Kirche immer einen tieferen Inhalt gehabt. Man denke etwa an die Wortgefechte in der Theologiegeschichte über Schrift und Tradition. Jedenfalls ist die Bewahrung der Tradition ein erprobtes Mittel, die Sehnsucht nach der Urkirche tatsächlich Gestalt werden zu lassen und zu bezeugen, dass diese Sehnsucht nicht bloß theoretische, blasse und unerfüllbare Nostalgie bleiben muss.

7. Die klassische Form des meditativen Gesanges der Psalmen in der Kirche ist der Gregorianische Choral. Dieser ist von seiner Struktur her stark an die lateinische Sprache gebunden. Es handelt sich dabei nicht zuletzt um eine ursprüngliche, christliche Form der Meditation, die in ihrer Beziehung zu Wort, Text und Mensch allen heute propagierten Wegen asiatischer oder neugnostischer Meditation weit überlegen ist.

8. Es sei auch noch erwähnt, dass dem Kleriker und Theologen die Vertrautheit mit dem Latein, die ihm im Gebet so gut wie nirgends sonst vermittelt wird, den Zugang zum Urtext der abendländischen theologischen und philosophischen Literatur erschließt.

Der Konvent von Heiligenkreuz feiert aber auch zweimal wöchentlich die Heilige Messe in der Landessprache. Und in den pastoralen Aufgabenbereichen – etwa in den uns anvertrauten Pfarren, wo es um die aktive Teilnahme der Gläubigen an der Liturgie geht, – werden die Gottesdienste immer in deutscher Sprache gehalten.

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